Hygieneregeln sind Herausforderung
Michael Thurm Bremen-Nord/Osterholz. Ein Unfall auf der Straße oder im Haushalt, ein Kreislaufzusammenbruch oder Herzinfarkt – diese oder ähnliche Notfälle ereignen sich nach Schätzung von Experten über 25 Millionen Mal jährlich in Deutschland und passieren zumeist in Anwesenheit von Familie, Freunden oder Kollegen. In vielen Fällen kann die Hilfe in den ersten Minuten lebensrettend sein.
Damit möglichst jeder Erste Hilfe leisten kann, bieten viele Verbände und Institutionen wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK), Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und Johanniter Erste-Hilfe-Kurse an. Die Liste der unterschiedlichen Lehrgänge ist lang. Sie reicht vom Grundlehrgang für Führerscheinbewerber bis zu Lehrgängen für Übungsleiter oder Jugendbetreuer. Eines verbindet alle Lehrgänge: Sie beinhalten einen theoretischen Teil, aber auch praktische Übungen.
All dies klingt simpel und ist zu Normalzeiten für alle Anbieter von Erste-Hilfe-Kursen leicht umsetzbar. Doch seit Ausbruch der Corona-Pandemie stießen auch die Erste-Hilfe-Ausbilder an ihre Grenzen. Vielfach mussten die vielfältigen Kursangebote monatelang abgesagt werden. Probleme in der Erste-Hilfe-Ausbildung schildern Vertreter des DRK-Kreisverbands Bremen, des DRK-Kreisverband Osterholz und der Johanniter des Regionalverbands Bremen-Verden.
Beim DRK-Kreisverband Osterholz mussten die Kurse im Frühjahr 2020 und Winter 2021 eine Zeit lang eingestellt werden, doch seit März finden wieder Kurse statt. Allerdings unter strengsten Hygiene-Auflagen. So darf nur teilnehmen, wer einen negativen Corona-Test vorlegen kann.
„Wir können statt 16 jetzt nur sieben Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausbilden“, sagt der Ausbildungsbeauftragte Uli Gerster. All dies bleibe natürlich nicht ohne Folgen. „Es gibt jetzt natürlich einen großen Nachholbedarf an Erste-Hilfe-Kursen. Gleichzeitig können wir wegen der begrenzten Teilnehmerzahl nicht mehr so viel ausbilden. Das können wir auch nicht durch zusätzliche Kurse auffangen, da wir nicht mehr Ausbilder oder Räume haben. Dadurch sind die Kurse oft auf Wochen ausgebucht“, bedauert Gerster.
Auch die Hygieneregeln und das Kontaktverbot haben Auswirkungen auf die Qualität der Kurse. So kann die stabile Seitenlage durch die Teilnehmer nicht mehr an anderen Teilnehmern geübt werden. Dies gilt auch für das Anlegen von Verbänden, das sonst ebenfalls im Team ausprobiert wird.
„Wir sind deswegen dazu übergegangen, viel an Puppen zu zeigen oder kurze Lehrvideos vorzuführen. Aber das kann das echte Ausprobieren natürlich nicht ersetzen, ist aber immer noch besser als gar nichts zu machen. Zum Glück kann die Herz-Lungen-Wiederbelebung weiterhin an speziellen Puppen geübt werden“, sagt Uli Gerster.
Auch bei den Johannitern, die die Kurse ebenfalls mehrere Wochen lang ausfallen lassen mussten, jetzt aber zumindest Erste-Hilfe-Kurse für Führerscheinanwärter und Betriebsersthelfer von Unternehmen anbieten können, musste das Konzept der Ausbildung der Pandemie angepasst werden. „Alle Teilnehmer werden vor Ort getestet. Der Unterricht erfolgt mit entsprechenden Masken und unter strengen Hygienevorschriften“, berichtet Pressesprecherin Nicole Baumann. Zudem wird der praktische Teil nur an Dummy-Puppen demonstriert, Druckverbände müssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an sich selbst anlegen.
Beim DRK-Kreisverband Bremen werden Erste-Hilfe Kurse seit dem 22. März wieder angeboten. Ähnlich wie beim DRK-Kreisverband Osterholz und den Johannitern gab und gibt es auch in Bremen vor allem bei Führerscheinanwärtern Wartelisten. „Die Nachfrage nach Kursen ist groß“, berichtet Lübbo Roewer, zuständig für Kommunikation und Marketing beim Bremer DRK. „Wir bemühen uns aber, die Anzahl der Kurse zu erhöhen. Momentan bieten wir wöchentlich fünf Lehrgänge mit höchsten zehn Personen an.“
Auch das DRK Bremen hat den Unterrichtsablauf komplett umgestellt. „Die Übungen werden kontaktlos, das heißt entweder an sich selbst oder an Modellen durchgeführt“, erläutert Roewer. Dazu gibt es erweiterte Erklärfilme. Auch einzelne Erste-Hilfe-Maßnahmen, wie etwa die Atemspende, seien den Bedingungen unter der Virusbedrohung angepasst worden.
Eine Sorge, die Uli Gerster vom DRK Osterholz formulierte, eint alle Kursanbieter: „Zum Glück ist es ja so, dass man das, was man im Erste-Hilfe-Kurs lernt, nur selten anwenden muss. Andererseits ist es in diesen seltenen Fällen natürlich wichtig, die Erste-Hilfe zu beherrschen. Und das kennt jeder, dass man das, was man nicht regelmäßig macht, schnell wieder verlernt. Daher sollte man Erste-Hilfe Kurse regelmäßig wiederholen, um nicht aus der Übung zu kommen. Das fehlt jetzt natürlich immer mehr. Und primär ist das natürlich vor allen Dingen ein Problem der Menschen, die Hilfe benötigen.“ Deshalb wünschen sich alle Ausbilder, bald möglichst in den normalen Unterrichtsmodus zurückkehren zu können.