Ehrensache: Lars Schmitz-Eggen ist Notfallseelsorger und Trauerbegleiter – Das Porträt
Ehrensache
„Mitfühlen ohne mitzuleiden“
Ehrensache: Lars Schmitz-Eggen ist Notfallseelsorger und Trauerbegleiter – Das Porträt
Ulf Buschmann
Landkreis Osterholz. Nächstenliebe beziehungsweise sein christlich geprägtes Weltbild sind ihm wichtig. Das treibt ihn an. „Aber ich trage das nicht wie einen Schild vor mir her“, sagt der 54-jährige Lars Schmitz-Eggen. Jenseits seines Berufslebens hat er sich für eine nicht gerade alltägliche Art des Engagements entschieden. Schmitz-Eggen ist zusammen mit Pastor Hans Jürgen Bollmann Leitender Notfallseelsorger des Kirchenkreises Osterholz-Scharmbeck. Doch das reicht ihm nicht: Schmitz-Eggen hat sich darüber hinaus zum Trauerbegleiter ausbilden lassen.
Geboren in Aachen, aufgewachsen in Bergisch Gladbach – Schmitz-Eggen kommt aus dem vorwiegend katholischen Nordrhein-Westfalen. Da wundert es nicht, dass er selbst zur päpstlichen Fraktion gehört. Für die Arbeit als Leitender Notfallseelsorger in Diensten eines protestantischen Kirchenkreises spielt das aber keine Rolle. „Ich bin der einzige Katholik“, schmunzelt Schmitz-Eggen, „aber wir sind ökumenisch aufgestellt.“ Im Übrigen sei das den Menschen, die Hilfe benötigten, ziemlich egal.
Die Frage danach, was Schmitz-Eggen zur Notfallseelsorge gebracht hat, beantwortet er, ohne groß zu überlegen: „Die Erfahrungen im Rettungsdienst.“ Wer haupt- oder ehrenamtlich wie Schmitz-Eggen auf dem Rettungswagen sitzt, hat meistens „nicht genügend Zeit, sich um die Angehörigen zu kümmern“. Als Beispiel nennt Schmitz-Eggen die vergebliche Wiederbelebung nach einem Herzinfarkt im häuslichen Umfeld. Die Menschen vom Rettungsdienst seien meistens gezwungen, möglichst schnell ihre Sachen zusammenzupacken, verbrauchtes Material aufzufüllen und sich bei der Leitstelle wieder einsatzbereit zu melden. Auf der Strecke bleiben die Angehörigen der Toten.
Seit 2011 im Landkreis
Da passte es für Schmitz-Eggen gut, dass sich das Deutsche Rote Kreuz in Bremen in diesem Bereich engagierte. „Das war das richtige Ding“, erinnert er sich. „Ich habe die Sprache der Einsatzkräfte gesprochen.“ Genau diese Menschen hätten nämlich in der Gruppe gefehlt. Kein Wunder also, dass Schmitz-Eggen „gleich zu Beginn viele Einsätze gehabt hat“. Bis zum Jahr 2011 war er in Bremen aktiv, dann wechselte er in den Landkreis Osterholz, wo er inzwischen hingezogen war.
Der Wechsel sei ein Unterschied gewesen, erinnert sich Schmitz-Eggen. Die Anforderungen seien nämlich anders als in Bremen. Dort war er als Begleiter von Menschen gefordert, wenn zum Beispiel eine Wiederbelebung nicht gelang. Im Landkreis seien die Aufgaben vielfältiger. Dazu gehören unter anderem das Überbringen von Todesnachrichten in Begleitung der Polizei, Betreuung von Angehörigen nach einem tödlichen Verkehrsunfall gleich an der Einsatzstelle und bei Großschadenslagen. Als Beispiel nennt Schmitz-Eggen den Brand bei Organo Fluid. Damals betreuten die Notfallseelsorger unter Schmitz-Eggens und Bollmanns Leitung die evakuierten Nachbarn.
Sich den Sorgen und dem Leiden anderer Menschen zuzuwenden, ist nicht unbedingt jedermanns Sache. Dies, so weiß Schmitz-Eggen, erfordere schon ein gehöriges Maß an Empathie Menschen gegenüber. Dass er sich für diese ehrenamtliche Aufgabe entschieden hat, begründet er mit christlicher Nächstenliebe. Und zwar über Konfessionen hinweg. Sie spiele keine Rolle, wenn Menschen in Not seien.
Wichtig bei seiner Arbeit sei aber, professionelle Distanz zu wahren. Schmitz-Eggen umschreibt es so: „Als Notfallseelsorger braucht man die Fähigkeit, mitfühlen zu können, ohne mitzuleiden.“ Damit diese – wie es auch heißt – „stillen Katastrophen“ nicht zu nah an die Helfer rankommen, sind monatliche Supervisionen für alle Notfallseelsorger Pflicht. Auch Geduld sei wichtig, genauso wie die Fähigkeit, zuhören zu können – und lange schweigen zu können. Der Notfallseelsorger erinnert sich an einen Einsatz mit 20-minütigem Schweigen. „Der Mensch hing nach dem Tod des Angehörigen seinen Gedanken nach. Er wollte mich einfach nur in seiner Nähe haben.“
Zu diesen und ähnlichen Einsätzen wird Schmitz-Eggen übers ganze Jahr gesehen fünf bis zehn Mal gerufen. Die „stillen Katastrophen“ sind somit sein ständiger Begleiter. Voraussetzung für das alles sei jedoch ein intaktes Familienleben, betont Schmitz-Eggen. Denn Alarmierungen – ausschließlich über die Rettungsleitstelle in Bremerhaven – richten sich nicht danach, was beispielsweise an den Wochenenden oder gar an Feiertagen privat gerade auf dem Programm steht. Treffen mit Freunden oder der geplante Einkauf „können sich da schon einmal, um einige Stunden verschieben“, weiß Schmitz-Eggen.
Das alles erzählt er mit stets offenem, freundlichen Blick. Hier und da streut Schmitz-Eggen auch ein verschmitztes Lächeln ein. Dabei sind Trauer und Tod auch im 21. Jahrhundert noch Tabuthemen. Nicht jedoch bei Schmitz-Eggen. Durch sein Engagement hat er sozusagen ein Tabu zu seinem Thema gemacht. Und er ist sogar noch einen Schritt weiter gegangen – hat er doch irgendwann festgestellt: „Nur Notfallseelsorger zu sein, reichte mir nicht aus.“ Deshalb habe er sich der erheblich umfangreicheren Ausbildung als Trauerbegleiter zugewandt. Inzwischen ist Schmitz-Eggen für den Ambulanten Hospizdienst und die St. Marien-Kirchengemeinde tätig.
Viele Menschen würden nach dem Tod eines Angehörigen Schuldgefühle plagen, erklärt er. Sie werfen sich selbst vor, sich um den Verstorbenen zu wenig gekümmert zu haben. „Ich versuche, diese Schuldgefühle mit ihnen aufzuschlüsseln“, umreißt Schmitz-Eggen seine Arbeit. Auch mit der natürlichen Wesensveränderung bei Trauer „kommen viele Menschen nicht klar“. Am Ende sei es wie das Vorhalten eines Spiegels: „Versuchen Sie bitte, auch an sich zu denken.“
Trauerbegleitung funktioniere ohne eigene Trauererfahrung nicht, weiß Schmitz-Eggen. Der Umgang damit müsse aber auch gelernt sein. Dies geschieht gleich im ersten Modul der Ausbildung. „Das ist schwerer Stoff“, sagt Schmitz-Eggen. Und: „Danach wird viel gelacht.“ Dies muss er auch jetzt noch, wenn er an die Ausbildung denkt: „Nebenan fand ein Kurs für die Clownsausbildung statt. Die konnten damit gar nicht umgehen, dass Trauerbegleiter so lustig sind.“
Schmitz-Eggen hofft, dass sich das Wissen über Trauerbegleiter weiter verbreitet als bislang. Denn: „Viele Leute wissen gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt. Viele meinen, sie müssten allein mit ihrer Trauer klarkommen.“
Die Notfallseelsorge im Landkreis Osterholz sucht Ehrenamtliche. Wer interessiert ist, wendet sich an Pastor Hans Jürgen Bollmann, Telefon 0 42 98 / 41 92 92, hans-juergen.bollmann[at]evlka[dot]de.
Osterholzer Kreisblatt vom 07.12.2019